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MPS-Core Facility

Mikrophysiologische Systeme

MPS sind innovative, miniaturisierte in-vitro-Modelle, die die Strukturen und Funktionen menschlicher Organe nachbilden. Indem sie die kleinsten funktionellen Einheiten von Organen imitieren und Zellen in eine Mikroumgebung einbetten, die der menschlichen Biologie sehr nahekommt, ermöglichen diese Systeme eine realistischere Untersuchung komplexer biologischer Mechanismen und Prozesse. Forschende können so (patho)physiologische Bedingungen untersuchen und die Auswirkungen verschiedener Einflüsse wie Krankheitserreger, Medikamente, Chemikalien und Umweltgifte auf menschlich relevante Modelle bewerten. Diese fortschrittlichen in-vitro-Methoden bieten nicht nur Alternativen zu Tierversuchen, sondern sind auch wertvolle Ergänzungen, da sie durch die realistischere Nachbildung der menschlichen Biologie völlig neue Möglichkeiten eröffnen, die Forschung voranzubringen.

Die MPS-Technologie umfasst verschiedene Modelltypen, insbesondere Organ-on-a-Chip- und Organoid-Ansätze. Organoide sind dreidimensionale, multizelluläre in-vitro-Gewebe, die sich durch die Differenzierung von Stamm- oder Vorläuferzellen selbst zusammenfügen und menschliche Gewebestrukturen nachbilden. Organ-on-a-Chip-Modelle hingegen kombinieren Zellbiologie, Mikrostrukturierung und Gewebeherstellung, um miniaturisierte Organstrukturen in mikrofluidischen Plattformen zu schaffen. Diese Modelle bieten eine kontrollierte Mikroumgebung und umfassen eine blutgefäßähnliche Perfusion, wodurch Aspekte der Organ-Dynamik, Funktionalität und (patho)physiologische Reaktionen nachgebildet werden können.

MPS-Core Facility im 3R-Center Tübingen

Die weltweit erste Core Facility für Mikrophysiologische Systeme wurde 2024 mit Unterstützung des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden Württemberg am Institut für Biomedical Engineering der Medizinischen Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen eingerichtet.

Unsere Mission ist es, akademischen Forschenden einen niederschwelligen Zugang zu komplexen, humanrelevanten in-vitro-Modellen zu ermöglichen.

Unser zentrales Ziel ist es, Wissenschaftler:innen in die Lage zu versetzen, ihre Forschungsfragen in einem MPS zu untersuchen, ohne in kostspielige Infrastruktur und spezielles Training investieren zu müssen. Neben einer umfassend angepassten Infrastruktur haben Nutzer:innen Zugang zu professioneller Unterstützung durch geschultes Personal in der Core Facility.

Dabei begleitet das Core Facility-Team die Nutzer:innen während des gesamten Prozesses: von ersten Beratungen, über Schulungen und Unterstützung bei der Realisierung der Experimente, bis hin zur Bereitstellung der Infrastruktur. Im genaueren unterstütze wir wie folgt:

1. Beratung

    • Frühzeitige Bewertung neuer Studien zur Prüfung möglicher Optionen zum Ersatz oder zur Reduzierung von Tierversuchen
    • Unterstützung bei der Studienkonzeption und der Entwicklung von Arbeitsplänen für Forschungsanträge

2. Schulungen und Praktische Untersützung

    • Individuelle Anleitung und professionelle Unterstützung bei der Versuchsplanung und Auswahl moderner Organ-on-Chip-Plattformen
    • Grundlegende theoretische und praktische Schulungen zur Vorbereitung für Laborarbeiten mit MPS
    • Fachkundige Beratung und Betreuung bei der Durchführung von Experimenten und der Datenauswertung durch Expert:innen

3. Zugang zur Technologieplattform

    • Zugang zu Zellkulturlaboren sowie zu spezialisierten MPS-Laboren (BSL-1)
    • Eine breite Auswahl an spezialisierter Infrastruktur für Experimente mit MPS
    • Individuelle und praktische Unterstützung ber der Durchführung der Experimente durch das Core Facility-Team

Verfügbare Modelle

Basierend auf etablierten und kommerziell erhältlichen Systemen bieten wir eine Vielzahl unterschiedlicher Modelle an, darunter:

  • Lunge-on-Chip
  • Darm-on-Chip
  • Gefäßsystem-on-Chip
  • Niere-on-Chip
  • Leber-on-Chip
  • Herz-on-Chip
  • Fettgewebe-on-Chip

Weitere Modelle auf Anfrage.

Mögliche Anwendungen

Mögliche Fragestellungen beinhalten:

  • Mechanistische biomedizinische Forschung
  • Personalisierte Medizin
  • Krankheitsmodellierung
  • Testung therapeutischer Ansätze
  • Drug Delivery-Monitoring
  • Toxikologische Untersuchungen

Pilotprojekte

Wir freuen uns, unsere Dienstleistungen für die ersten drei Pilotstudien kostenfrei anbieten zu können, einschließlich fachkundiger Unterstützung während des gesamten Projekts in unserer Core Facility. Dies beinhaltet umfassende Beratungen, Schulungen, Unterstützung bei der Durchführung der Experimente und Datenauswertung. Unsere aktuellen Pilotprojekte umfassen Studien zu den Organen Niere, Fettgewebe und Darm:

1. Untersuchung der ENaC-Aktivierung bei Nephrotischem Syndrom mit Organ-on-Chip-Technologie

Prof. Artunc des Universitätsklinikums Tübingen beschäftigt sich mit dem nephrotische Syndrom. Dies ist eine komplexe Erkrankung, die durch Proteinurie, einem ausgeprägtes Ödem und Hypoalbuminämie gekennzeichnet ist und durch verschiedene glomeruläre sowie systemische Erkrankungen ausgelöst werden kann. Ein wichtiger Mechanismus ist die abnormale Filtration von Proteasen in den Urin (Proteasurie), was zu einer proteolytischen Überaktivierung des epithelialen Natriumkanals (ENaC) führt. ENaC, der im distalen Nephron exprimiert wird, wird durch Serinproteasen aktiviert und spielt eine entscheidende Rolle in der Regulation des Natrium- und Wasserhaushalts. Seine Dysregulation trägt zur Natriumretention und Ödembildung bei.
Die spezifische Serinprotease(n), die für die ENaC-Aktivierung beim nephrotischen Syndrom verantwortlich sind, sind bislang unbekannt. Die MPS-Core Facility unterstützt diese Pilotstudie, indem sie bei der Auswahl und Etablierung eines physiologisch relevanten, menschlichen Organ-on-Chip-Modells hilft. Dieses Modell wird Nierenzellen verwenden, die ENaC exprimieren, und unter verschiedenen Bedingungen mit gesundem und nephrotischem Urin oder definierten Protease-Cocktails getestet, um die Mechanismen der proteolytischen ENaC-Aktivierung besser zu verstehen.

2. Analyse zelltypspezifischer Effekte von Glukokortikoiden auf den Immunometabolismus im weißen Fettgewebe

Das Projekt von Prof. Tuckermann und seinem Team an der Universität Ulm untersucht die Wirkung von Glukokortikoiden auf weißes Fettgewebe (White Adipose Tissue, WAT). Im Fokus stehen dabei zelltypspezifische, pharmakologische Strategien, die Entzündungen reduzieren, ohne die Insulinsensitivität erheblich zu beeinträchtigen. Mit Unterstützung der Core Facility kommt ein hochmodernes WAT-on-Chip-Modell zum Einsatz, das zentrale biologische Prozesse nachbildet, die zuvor im Tiermodell erforscht wurden. Durch die Verfeinerung der Protokolle und die Optimierung der Glukokortikoidkonzentrationen sollen sowohl physiologische als auch pharmakologische Bedingungen realistisch abgebildet werden. Ziel des Pilotprojekts ist es, den Einsatz von Tiermodellen zu reduzieren und zugleich robuste, reproduzierbare Ergebnisse zu erzielen, die eine Übertragung der Technologie auf andere Labore ermöglichen.

3. Untersuchung des Einflusses anaerober Bakterien auf die Entstehung von Darmkrebs

Im Rahmen dieses Pilotprojektes mit der AG Mager des M3 Research Center des Uniklinikums Tübingens, unterstützt die MPS-Core Facility eine Studie mithilfe eines mikrofluidischen Co-Kultur-Systems des Darms. Ziel dieser Studie ist es, den Einfluss bestimmter anaerobe Bakterienarten auf die genetische Evolution von kolorektalem Krebs (Colorectal Cancer, CRC) zu untersuchen. Zu Beginn werden Mausdarm-Organoide mit definierten Mutationen in einem Zwei-Kammer-Mikrofluidik-Chip kultiviert und mit anaeroben Bakterien co-kultiviert, um Interaktionen zwischen Bakterien und Krebsorganoid-Zellen zu analysieren. Um die Ergebnisse in einem human-basierten System zu validieren, werden anschließend patientenabgeleitete Krebsorganoide eingebunden und mit spezifischen Bakterienstämmen oder Metaboliten, die im murinen Modell als relevant identifiziert wurden, co-kultiviert.
Nach Abschluss der Pilotstudie mit der Core Facility wird in weiteren Verlauf der Studie erforscht, ob diese Bakterien oder deren Metabolite das metastatische Potenzial der Krebszellen erhöhen, indem die Migration der Krebszellen zwischen den mikrofluidischen Kammern untersucht wird. Langfristig könnte diese Forschung dazu beitragen, neue therapeutische Zielstrukturen und Strategien für die Behandlung und Prävention von CRC zu identifizieren.

Sie möchten die Services der Core Facility des 3R-Centers Tübingen nutzen?

Möchten Sie MPS in Ihrer Forschung einsetzen, die Humanrelevanz erhöhen und Tierversuche reduzieren? Wir bieten Ihnen gerne eine individuelle, zielgerichtete und vertrauliche Beratung an. Senden Sie Ihre Anfrage über das folgende Kontaktformular, und wir werden uns umgehend bei Ihnen melden.

Wir freuen uns auf Ihre Anfrage!

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